Ein Kind zu verlieren, noch bevor es auf der Welt ist – das ist für viele Frauen ein tiefgreifender Einschnitt. Doch über Fehlgeburten wird selten gesprochen. Gerade im beruflichen Kontext bleibt das Thema oft im Verborgenen. Carolin Weckmüller, Senior Beraterin für das Employee Assistance Program (EAP) bei BG prevent, unterstützt Frauen in genau solchen Momenten. Sie erzählt, wie sie drei Frauen nach einer Fehlgeburt individuell und einfühlsam begleitet hat.
"Fehlgeburt – und dann?" Wie psychosoziale Beratung Frauen nach einer Fehlgeburt helfen kann
)
Statistisch gesehen erlebt jede dritte Frau in Deutschland im Laufe ihres Lebens eine Fehlgeburt. Doch das Thema bleibt häufig tabuisiert. In vielen Fällen wissen weder Freund:innen noch Kolleg:innen oder Vorgesetzte von dem Verlust. Für die betroffenen Frauen beginnt nach einer Fehlgeburt oft ein einsames, innerlich aufwühlendes Kapitel – geprägt von Trauer, Schuldgefühlen, Scham oder Zukunftsängsten.
Carolin Weckmüller kennt solche Situationen gut. Sie ist Diplom-Sozialpädagogin, systemische Therapeutin und seit über drei Jahren als Beraterin Gesundheitsmanagement im Team von BG prevent. Ihr Schwerpunkt liegt in der persönlichen Einzelberatung rund um psychosoziale Belastungen - oft am Arbeitsplatz - im Rahmen des Employee Assistance Program (EAP). Immer wieder begleitet sie dabei auch Frauen, die nach einer Fehlgeburt Halt suchen.
Hier berichtet Carolin Weckmüller in anonymisierter Form von drei Frauen, denen sie nach einer Fehlgeburt im Rahmen des EAP wieder Halt gegeben hat.
Fall 1: Vom Schock zur Trauer – und zur Frage: Will ich ein Leben mit oder ohne Kind?
Eine Frau, Anfang 40, wird ungeplant schwanger. Die Nachricht trifft sie unerwartet – und doch spürt sie sofort eine tiefe Verbindung zu dem ungeborenen Kind. In der zehnten Schwangerschaftswoche kommt die ernüchternde Diagnose: Das Herz des Embryos schlägt nicht mehr. Es folgt eine Ausschabung: medizinisch schnell, emotional ein Schockzustand. Erst nach und nach realisiert die Klientin, was passiert ist – und dass sie trauert.
In der Beratung des EAP findet sie einen geschützten Raum für diese Gefühle. Im Laufe der persönlichen Gespräche wird klar: Es geht nicht nur um Abschied, sondern auch um Lebensplanung. Möchte sie künftig Kinder? Oder ein bewusst kinderfreies Leben führen? In der Beratung nimmt sie beides an – die Trauer und den Abschied vom Kind ebenso wie den Entschluss, kinderlos zu bleiben. Eine kleine Schatulle mit einem Glitzerstern wird für sie zum Symbol der Liebe und Erinnerung.
Fall 2: Wenn der Verlust inmitten vieler Krisen auftritt
Eine andere Klientin erlebt eine Fehlgeburt in einer ohnehin belastenden Lebensphase: familiäre Spannungen, beruflicher Druck, psychische Überforderung. Die Fehlgeburt ist nur ein Puzzleteil in einem größeren Bild der Instabilität. Es fließen einige Tränen – die EAP-Gespräche geben den richtigen Ort und Raum dafür. In der Beratung geht es anschließend darum, Ressourcen zu aktivieren und psychisch zu stabilisieren.
„Erst wenn Kraft und Orientierung zurückkehren, kann man Themen wie Verlust oder Lebensplanung wirklich betrachten“, erklärt Carolin Weckmüller. Die Gespräche bauen aufeinander auf, schaffen Halt, sortieren Themen und Gefühle – ganz ohne Zeitdruck.
Fall 3: Ein großer Kinderwunsch – und das Warten auf ein gutes Ende
Der dritte Fall ist geprägt von einem tiefen, lang gehegten Kinderwunsch. Nach der Fehlgeburt bleibt die Hoffnung – aber auch Unsicherheit. Die Klientin sucht in der Beratung immer wieder Halt, besonders rund um den Jahrestag des Verlusts. Die EAP-Gespräche finden inzwischen in größeren Abständen statt, aber der Kontakt bleibt bestehen.
„Es sind diese kleinen, oft stillen Trauerwellen, die Jahre später noch auftreten können“, sagt Weckmüller. „Einladung zu einem Kindergeburtstag, Baby-News im Freundeskreis, die Frage: ‚Und wann bist du dran?‘ – all das können Trigger sein.“ Die Beratung hilft, diesen Wellen standzuhalten – und eigene Wege zu finden, mit ihnen umzugehen.
Fehlgeburt betrifft nicht nur den Körper – sondern auch Beziehungen, Beruf und Identität
Was alle drei Fälle zeigen: Der Verlust betrifft nicht nur die Frau selbst. Partnerschaften können in Schieflage geraten, Erwartungen aus dem Familienumfeld setzen unter Druck. Auch im Berufsalltag zeigen sich Auswirkungen: Manche erleben Arbeit als Strukturgeber, andere als Überforderung.
Dabei fällt auf: Keine der drei Frauen hat am Arbeitsplatz offen über die Fehlgeburt gesprochen. Das Thema bleibt oft privat – aus Scham, aus Angst vor Mitleid oder aus dem Wunsch, professionell „funktionieren“ zu müssen.
Was die EAP-Beratung leisten kann – und warum sie so wichtig ist
Gerade hier entfaltet die EAP-Beratung ihre besondere Stärke: Sie ist niedrigschwellig, vertraulich und schnell verfügbar – ohne lange Wartezeiten, ohne Krankenkasseneintrag, ohne Diagnosedruck. Die Beratung erfolgt je nach Wunsch persönlich, telefonisch oder online und bleibt auch über einen längeren Zeitraum verfügbar, wenn es sinnvoll ist.
„Wichtig ist bei einem solchen, mit Scham behaftetem Thema der geschützte Rahmen, das Ernstnehmen, das achtsame Zuhören“, betont Weckmüller. „Wir arbeiten ganz individuell. Es gibt keine Schablone, keine Standardlösung, sondern echtes Verstehen und gemeinsames Sortieren.“
Fehlgeburten auch ein Thema für Führungskräfte und HR-Verantwortliche
Fehlgeburten sind auch ein Thema für Unternehmen. Führungskräfte und Personaler:innen können helfen, einen offeneren Umgang zu ermöglichen, etwa indem sie Mutterschutzregelungen kennen, respektvoll kommunizieren oder aktiv auf das EAP-Angebot hinweisen.
Nicht zuletzt kann es betroffenen Frauen helfen, wenn sie wissen: Sie müssen nicht stark sein, nicht perfekt funktionieren – sie dürfen trauern, sie dürfen Hilfe annehmen. Und sie dürfen entscheiden, wann und wie sie darüber sprechen möchten. „Nur dann kann ich natürlich auch helfen“, sagt Carolin Weckmüller.
Zuhören hilft – und reden kann heilen
EAP-Beratung nach einer Fehlgeburt ist kein „Extra“, sondern eine essenzielle Unterstützung, wenn das Leben kurzzeitig aus den Fugen gerät. Jede Beratung ist individuell. Aber alle Beratungen haben ein gemeinsames Ziel: Dass die Gesprächspartnerinnen wieder Tritt fassen, neue Wege sehen und Schmerz verarbeiten. Und manchmal hilft dabei schon ein kleiner Glitzerstern in einer Schatulle.
Mutterschutzanpassungsgesetz seit dem 1. Juni
Am 1. Juni 2025 ist das Mutterschutzanpassungsgesetz in Kraft getreten. Frauen, die ab der 13. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt erleiden, haben künftig Anspruch auf gestaffelte Mutterschutzfristen:
Ab der 13. Woche: 2 Wochen Mutterschutz
Ab der 17. Woche: 6 Wochen Mutterschutz
Ab der 20. Woche: 8 Wochen Mutterschutz
Während dieser Schutzfristen dürfen Arbeitgeber betroffene Frauen nicht beschäftigen, es sei denn, die Frau erklärt sich ausdrücklich zur Arbeitsleistung bereit. Diese Regelung stärkt die Selbstbestimmung der Frauen und erkennt die besondere körperliche und seelische Belastung nach einer Fehlgeburt an.